Mehr Kame­ras = bes­se­rer Stream? Ein Irrtum!

Ich hat­te unlängst ein inter­es­san­tes Gespräch. Stolz wur­de mir von der Anschaf­fung von fünf Kame­ras berich­tet. Alle­samt auf dem aktu­el­len Stand der Tech­nik und preis­lich in der ers­ten Liga.

Als lang­jäh­rig erfah­re­ner Foto­graf ent­lo­cken mir State­ments die­ser Art nur noch ein müdes Lächeln. Nicht die Tech­nik macht das Bild, son­dern der Mensch dahin­ter. Aus eige­ner Anschau­ung weiß ich, dass weni­ger Tech­nik mehr ist.

Die Idee macht das Bild

Also nur noch eine Kame­ra? Nein, selbst­ver­ständ­lich nicht, aber weg von der Vor­stel­lung, dass viel auch viel hilft.

Es stimmt zwar, dass den Zuschau­en­den visu­el­le Abwechs­lung gebo­ten wer­den soll und muss, aber die­se hängt ganz eng mit dem jewei­li­gen The­ma zusammen.

Bei einem Web­i­nar reicht oft­mals eine Kame­ra, um die Vor­tra­gen­den zu zei­gen. Wich­ti­ger ist hier die ein­wand­freie Ein­bin­dung der Vor­trags­fo­li­en in das Gesamtbild.

Die Bild­fol­ge ist ein­fach: zu Beginn des Vor­trags eine Tota­le, die nur den Spre­cher zeigt, dann ein Clo­se-up, die die Sprecher:in direkt neben den Vor­trags­fo­li­en zeigt und zum Schluss wie­der eine Totale.

Kom­men wei­te­re Vor­tra­gen­de ins Spiel, dann gibt es nicht sel­ten eine mode­rier­te Fra­ge- oder Dis­kus­si­ons­run­de. Hier macht dann der Ein­satz einer zwei­ten Kame­ra auf jeden Fall Sinn. Zwar lie­ße sich mit einer ein­zi­gen Kame­ra arbei­ten, aber die in einer sol­chen Situa­ti­on not­wen­di­gen Schenk- und Zoom-Bewe­gun­gen sor­gen beim Zuschau­er eher für Kopf­schmer­zen als für eine ent­spann­te Teilnahme.

Bei einer zwei­ten Kame­ra wird dann ein Video­mi­scher und ein/e Operator:in benö­tigt, die/der die­sen bedient und im rich­ti­gen Moment zwi­schen den Bil­dern wech­selt. Zudem stellt sich auch die Fra­ge, ob die zwei­te Kame­ra eine Kamerafrau/einen Kame­ra­mann benö­tigt? Mei­ne Ant­wort ist ein­deu­tig: Ja! Es kommt so gut wie nie vor, dass die han­deln­den Per­so­nen wie ange­wur­zelt ste­hen bleiben.

So rei­chen bereits zwei Kame­ras und einem Misch­pult aus, um ein inter­es­san­tes und abwechs­lungs­rei­ches Video­bild zu pro­du­zie­ren. Dies setzt aber vor­aus, dass jene, die hin­ter der Kame­ra ste­hen und am Misch­pult sind, auf­ein­an­der ein­ge­spielt und auf „Zack“ sind, die Situa­ti­on vor der Kame­ra erah­nen und recht­zei­tig reagieren.

Spä­tes­tens hier trennt sich dann der Spreu vom Wei­zen, denn wer Bil­der pro­du­zie­ren will und die Situa­ti­on nicht erfasst, dem wird schlicht kein Bild gelin­gen. So zahlt sich mei­ne lang­jäh­ri­ge Erfah­rung auf dem Gebiet der Event-Foto­gra­fie aus.

Nicht mehr als zwei Kameras?

Wenn das The­ma es her­gibt, dann müs­sen auch wei­te­re Kame­ras ins Spiel kom­men. Man stel­le sich nur ein Kam­mer­kon­zert, auf­ge­nom­men aus ein oder zwei Per­spek­ti­ven vor. Das ruft förm­lich nach einer drit­ten oder gar vier­ten Kame­ra. Oder ein Event mit Publi­kum und einer gro­ßen Büh­ne. Auch da soll­te es eine Über­sichts­ka­me­ra sowie min­des­tens zwei wei­te­re Kame­ras geben.

Je mehr Per­spek­ti­ven gewünscht sind, des­to höher ist auch der per­so­nel­le Auf­wand — und damit die Kos­ten. Zwar las­sen sich mit Hil­fe von KI — und da kom­men wir zu den ein­gangs ange­deu­te­ten Kame­ras der ers­ten Liga — die han­deln­den Per­so­nen auto­ma­tisch ver­fol­gen, aber ein der Situa­ti­on ange­mes­se­nes Bild ist damit nicht wirk­lich möglich.

Der Mensch macht dann doch das Bild — nicht die Tech­nik. Sie ist ein­zig ein mit­un­ter sehr kom­for­ta­bles Werk­zeug. Mehr aber nicht.