Wie viele Kameras braucht man für die Übertragung oder Aufzeichnung eines Interviews?
Eins, Zwei oder Drei, du musst dich entscheiden, drei Felder sind frei. Manchmal ist es gar nicht so einfach sich zu entscheiden. Reicht eine Kamera, oder sollen es doch gleich drei sein? Hängt es gar von der Bedeutung der Gesprächspartner ab? Sprich: Für ein Interview auf Mitarbeiterebene nehme ich eine Kamera, für den Vorstand fahre ich alles an Technik auf, was ich habe?
Fangen wir beim Grundsätzlich an: Die Kamera ist das Auge der Zuschauer:innen. Die Kamerafrau oder der Kameramann hat also die Aufgabe ein Bild zu produzieren, dass das Publikum bei der Stange hält.
Wenn Sie jetzt an ihr eigenes Verhalten bei einem Gespräch, beispielsweise beim Smalltalk in der Kaffeepause, denken, dann erkennen Sie: Wenn das, was mir mein:e Gesprächspartner:in erzählt, interessant ist, dann bleibe ich mit den Augen bei ihr oder ihm. Langweilt es mich, dann weicht der Blick ab, schweift umher, mitunter auf der Suche nach jemand anderem, um schnell aus der Situation herauszukommen.
Übertragen auf die Frage nach richtigen Anzahl an Kameras: Sie können aus vielen Perspektiven aufnehmen, aber wenn der Interview Partner langweilt oder langweilig befragt wird, dann klickt der User weg. Abstimmung per Mausklick. Fertig.
Interessant wird es, wenn die Interviewpartner mit den richtigen Fragen aus der Reserve gelockt werden. Dann wird ein Gespräch interessant und spannend — und dann kann eine Kamera, die die Emotionen des Interviewpartners einfängt, völlig ausreichen. Denken Sie nur an die Fragen der Sportreporter:innen an die Fußballer:innen nach einem Spiel.
Wenn Sie aber an ein Gespräch denken, bei dem es kontrovers zugehen wird, dann machen mehrere Kameras Sinn. Zwei, die jeweils die Reaktionen der Gesprächspartner:innen aufnehmen und eine, die die Gesamtsituation zeigt und dem Publikum räumliche Orientierung vermittelt.
Allerdings bedeutet dieses Mehr an Perspektiven auch einen deutlichen Mehraufwand an Technik — und damit sind nicht nur Kameras gemeint.
Bei einer Perspektive reicht u.U. das kleine Kameralicht völlig aus. Je mehr Perspektiven aber eingesetzt werden, desto größer wird der Aufwand für eine angemessene Be- und Ausleuchtung der Szenerie. Damit wächst der zeitliche Aufwand für die Einrichtung.
Bei einem Livestream kommt dabei der Kamera und der Bildregie große Bedeutung zu. Das Gespräch muss aufmerksam verfolgt werden. Die Kameraleute müssen Bewegungen der Gesprächspartner im Blick haben, die Bildregie muss Emotion zeigen.
Bei einer reinen Aufzeichnung hingegen liegt es an der Post-Produktion, um aus einer Multikamera-Produktion einen interessanten Videoschnitt zu erstellen.
Das Schweizer Medienportal filmpuls hat acht Entscheidungskriterien zur Bestimmung der Anzahl an Videokameras zusammengefasst:
- Die Form folgt der Funktion: In einem Corporate Video geht es darum, Inhalte und Emotionen zu transportieren. Deren Übermittlung erfolgt in einem Interview ausschließlich über die auftretende Person. Allenfalls ergänzt durch grafische Elemente, Titel, Charts, B‑Roll und Einspieler (Video-Clips). Die filmische Form hat sich darum dem Inhalt unterzuordnen. Im Vordergrund stehen Glaubwürdigkeit und Verständlichkeit. Nicht Inszenierung. Eine zweite oder dritte Kamera ergibt immer nur dann Sinn, wenn sie diese zwei Faktoren nicht verwässert, sondern – aus Sicht des Zielpublikums – verstärkt.
- Kameras sind Mittel zum Zweck: Technik ist bei einem Interview mit Video das Mittel zum Zweck. Nicht Selbstzweck. Auch bei der Frage, wie viele Kamerasets auf dem Set erforderlich sind. Content wird nicht attraktiver durch den Einsatz mehrerer Bildperspektiven. Wie gedreht wird, ist weniger wichtig als der Inhalt. Nur wenn die Botschaften sitzen und souverän in der Videoaufnahme vermittelt werden, lohnt sich das Nachdenken über die Erhöhung der Komplexität durch den Einsatz mehrerer Blickwinkel.
- Video kann nicht zaubern: Die oft Meinung, ein Mehrkamera-Dreh ermögliche die Kaschierung einer schlechten Performance, ist Unfug: Ein schlechter Auftritt aus zwei Blickwinkeln gedreht, wird damit nie besser. Bildschnitte, die Fehler verbergen, werden als solche erkannt. Sie schaden der Glaubwürdigkeit. Unsicherheit lässt sich effizienter vermeiden, indem man zusätzlich mit einem Moderator arbeitet.
- Technik multipliziert Ängste: Das Auftreten in einem Video fällt den meisten Menschen leichter, wenn sie nicht einer imposanten Batterie aus Gerätschaften mit einem Set-up von zwei Kameras oder mehr gegenüberstehen, die erdrückend wirkt. Viele Videoproduktionen wollen ihre Professionalität und ihre Leistungsfähigkeit mit dem Einsatz von viel Technik unterstreichen. Bei Interviews ist das falsch. Und kein Kriterium zur Klärung, wie viele Kameras am Drehort erforderlich sind.
- Moderation: Der Mehrkamera-Einsatz erlaubt unterschiedliche Perspektiven. In einer Konstellation mit Moderation (Fragesteller) erlaubt nur dieses Set-up einen fließenden Schnittwechsel vom Fragesteller auf den Befragten. Umgekehrt hat diese Arbeitsweise Auswirkungen auf die Besetzung des Teams und führt zwingend zu höhere Kosten für die Mieten und – sofern kein Live-Schnitt erfolgt – die Bild-Nachbearbeitung.
- Teleprompter vermeiden: Die Digitaltechnik hat die Produktion von Interviews zu einer Ware gemacht. Als Strafe dafür hat der Teufel den Teleprompter erfunden. Für Nachrichtensprecher im TV-Studio ist diese Technik ein nicht wegzudenkender Standard. Nur: TV-Moderatoren haben das Ablesen ab Teleprompter über Wochen gelernt und trainiert. Darum sieht ihr Ablesen mühelos aus. Versucht sich eine ungeübte Person an einem Teleprompter, flackert der Blick von rechts nach links und von oben nach unten den Textzeilen entlang! Jede Authentizität geht mit einer sprechenden Pappfigur flöten. Darum: Finger weg!
- B‑Roll: Aufnahmen, die nach oder vor dem eigentlichen Interview (A‑Roll-Aufnahmen) zusätzlich gedreht und im Videoschnitt in dieses eingefügt werden, bezeichnet man als B‑Roll. Für den Laien erwecken diese Bilder bei einer professionellen Umsetzung den Eindruck eines Mehrkamera-Drehs. Der Inhalt von B‑Roll-Aufnahmen beinhalten Gesten und Detailaufnahmen, die nicht synchron zum Sprachinhalt sind. Spätere Kürzungen und Tonschnitte sind auf diese Weise unauffällig möglich.
- Budget: Die Frage, wie viele Kameras ein Interview mit Video benötigt, hat erhebliche Folgen für die Herstellungskosten. Zwei Kameraeinheiten kosten mehr als nur eine Videokamera mit bloß einem Operator. Zu den Mietkosten für das Equipment kommen höhere Transportkosten und Versicherungskosten hinzu. Auch die Synchronisation von zwei Videostreams und der Schnitt mit zwei Bildquellen sind aufwendiger. Wo das verfügbare Produktionsbudget restriktiv ist, erübrigt sich darum die Diskussion, wie viele Filmkameras auf dem Set erforderlich sind.